Wer waren die „türkischen“ Korsaren in Tunesien?

Veröffentlicht am : 11-03-2020

Die Brüder Barbarossa, Dragut, Euldj Ali … diese Korsaren waren maßgeblich an der Eingliederung Tunesiens in das osmanische Reich beteiligt. Sie waren allerdings keine Türken, sondern christliche Konvertiten.


Die beiden berühmtesten Korsaren des Mittelmeers waren am Beginn des 16. Jahrhunderts Arudsch und sein Bruder Khair ad-Dine.
In Europa sind sie als die „Brüder Barbarossa“ bekannt, da der ältere von beiden den türkischen Ehrentitel „Baba Arrouj“ (Vater Arudsch) erhalten hatte, der durch Verballhornung zu „Barbarossa“ wurde oder auch weil der Jüngere der beiden seinen Bart mit Henna färbte.
Beide Brüder begannen mit der Seeräuberei, der jüngere von beiden beendete sein Leben unter großen Ehren als Großadmiral der osmanischen Flotte.

Von Freibeutern und Korsaren

Zu jener Zeit wütete im Mittelmeer der „Krieg der Freibeuter“. Dabei ging es darum, sich feindliche Schiffe, zumeist einfache Handelsschiffe anzueignen.
Die Ladung wurde weiterverkauft und die Passagiere wurden als Geiseln getauscht oder verkauft.
Diese Praxis bereicherte mehrere Jahrhunderte hindurch die Ritter des Ordens des Heiligen Johannes von Jerusalem (dem späteren Malteserorden).
Auf Seiten der Christen gab es auch die sogenannten „Meeressöldner“, die im Dienste der Mächtigen kämpften, wie etwa den Spanier Pedro Navarro oder den Genueser Andrea Doria.
Sie kämpften an vorderster Front gegen die Osmanen.
Zu jener Zeit lieferten sich zwei Großreiche im Mittelmeer einen erbitterten Kampf: auf der einen Seite das Habsburgerreich Karls V, das einen großen Teil Europas umfasste, und auf der anderen das osmanische Reich, dem Nachfolger des antiken Byzanz.
Zwischen diesen beiden Reichen befand sich Tunesien, das mehrmals von dem einen oder anderem Reich eingenommen wurde, bis es letztlich im Jahr 1574 zum endgültigen Sturz der alten Berberdynastie der Hafsiden kam.

Die Brüder Barbarossa

Die Brüder Arudsch und Khair ad-Dine Barbarossa wurden auf der griechischen Insel Lesbos, die einige Jahre vor ihrer Geburt von den Osmanen erobert worden war, geboren.
Ihre Eltern waren Christen oder vielleicht auch Juden.
Die beiden Brüder waren zunächst Seeräuber, die auf eigene Rechnung arbeiteten und traten später zunächst in die Dienste des osmanischen Gouverneurs, dann des mamlukischen Sultans von Kairo und schließlich des hafsidischen Sultans von Tunis, der ihnen 1504 die Festung von La Goulette anvertraute.
Schließlich zogen sie nach Algerien weiter, wo sie sich unter den Schutz des Sultans von Istanbul stellten.
Ungefähr dreißig Jahre lang ließen sich diese Korsaren auf der Insel Djerba und an der tunesischen Küste nieder, während die Spanier Alger und Tripoli besetzt hielten.
Im Jahr 1534 startet Khair ad-Dine, der nach dem Tod seines Bruder Arudsch von den Osmanen zum „Beylerbey von Afrika“ ernannt worden war, eine Expedition zur Eroberung von Tunis.
Aber der hafsidische Sultan Molay Hassan rief die Spanier zu Hilfe, die ihn wieder auf seine, Thron installierten. 
Khair ad-Dine verließ schließlich Nordafrika und wurde „Kapitän-Pascha“ Großadmiral, der osmanischen Flotte.

Von Dragut bis Euldj Ali

Nunmehr besetzten die Spanier zunächst Djerba, dann Hammamet, Monastir und Mahdia.
Den Barbarossa-Brüdern folgte nun ein gefürchteter Kapitän nach: Dragut, der ebenfalls in einem kleinen griechischen Dorf in der heutigen Türkei geboren wurde. 
Man sagt, dass Dragut in den Augen Khair ad-Dine Barbarossas ein so wertvoller Stellvertreter war, dass dieser nicht zögerte, als Dragut von den Genuesen gefangen worden war, ihn diesen abzukaufen, indem er ihnen das Recht auf die Korallenfischerei auf der Insel La Galite im Norden Tunesiens anbot.
Dragut eroberte Mahdia und Djerba zurück, wo er den gefürchteten Andrea Doria, den Genueser „Condottiere“, der sich auf die Seite der Spanier geschlagen hatte, bekämpfte.
Über mehr als dreizehn Jahre wechselten die wichtigsten Küstenstädte immer wieder von einer Hand zur anderen bis Tunis schließlich 1574 endgültig von den Osmanen erobert wurde.
In dieser Zeit trat ein weiterer Korsar auf dem Plan: Euldj Ali, dessen Name so viel wie „der Konvertit Ali“ bedeutet.
Giovanni Galeni war eigentlich ein junger Italiener aus Kalabrien, der 1535 durch einen Admiral der Regentschaft von Alger, der selbst ein konvertierter Grieche war, gefangen genommen worden war.
Unter dem Namen Euldj Ali – oder auf Türkisch Uluç Ali – wurde er Stellvertreter von Dragut auf Djerba und schließlich Großadmiral der osmanischen Flotte.
Er war es, der unter dem Großwesir Sinan Pacha die letzte entscheidende Schlacht schlug, durch die Tunesien zu einer osmanischen Provinz wurde.
Eine Provinz, die unter der Regentschaft der Beys von Tunis bald große Autonomie erlangen sollte.

Die Ironie der Geschichte wollte es, dass die erste Dynastie der Beys von einem Korsen, Mourad I begründet wurde, der in seiner Jugend durch tunesische Korsaren gefangenen genommen worden war und zum Islam konvertierte.

Spuren dieser heftigen Kämpfe des 16. Jahrhunderts sich bis heute noch in den zahlreichen Festungen entlang der tunesischen Küste erkennbar: in Bizerte, La Goulette, Hammamet, Monastir, Mahdia und vor allem auf Djerba, dem ersten tunesischen Stützpunkt der Brüder Barbarossa.

Das Fort von Hammamet

Das Fort von Mahdia

Das Fort Borj Ghazi Mustapha auf Djerba

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